Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie am 10.12.2020

Ministerium für Kinder, Familie,
Flüchtl inge und Integration
des Landes Nordrhein-Westfalen
Der Minister
Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration
des Landes Nordrhein-Westfalen, 40190 Düsseldorf

  1. Dezember 2020
    Dr. EdgarVoß
    An den
    Präsidenten des Landtags
    Nordrhein-Westfalen
    Herr Andre Kuper MdL
    Platz des Landtags 1
    40211 Düsseldorf
    Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie am
    10.12.2020

  2. Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
    für die o. g. Ausschusssitzung bin ich um einen weiteren schriftlichen
    Bericht zum Thema „Schließung von Kitas und Tagespflegeeinrichtungen in NRW seit den Schulsommerferien“ gebeten worden.
    Dieser Bitte komme ich hiermit gerne nach und übersende zur Information
    der Mitglieder des Ausschusses den beigefügten, zusammengeführten
    Bericht.
    Mit freundlichen Grüßen (}o~vL S/~f
    Dr. Joachim Stamp
    Telefon 0211 837-2370
    Edgar.voss@mkffi.nrw.de
    Dienstgebäude und
    Lieferanschrift:
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Bericht des Ministers für Kinder, Familie,
Flüchtlinge und Integration
„Schließung von Kitas und Tagespflegeeinrichtungen in NRW seit den
Schulsommerferien“
Sitzung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend am 10.12.2020
Insgesamt werden in den nordrhein-westfälischen Kindertagesbetreuungsangeboten
ca. 730.000 Kinder durch rund 160.000 Beschäftigte betreut.
Auf der Grundlage von Meldungen nach § 47 SGB VIII erfassen die
Landesjugendämter SARS-CoV-2 bedingte (Teil-) Schließungen von
Kindertageseinrichtungen.
Wir sind dabei, die Betrachtungsweise zu erweitern und in den Listen der
Landesjugendämter zu filtern, wie sich die Schließungen wochenweise und tageweise
darstellen.
Von den 10.500 Kindertageseinrichtungen waren im November bei tagesbezogener
Betrachtung im Schnitt rund 95 Prozent vollständig geöffnet. Dies ergibt sich aus den
Meldungen, die uns von den Landesjugendämtern vorliegen (Stand 04.12.2020).
Danach waren im November an einem Tag montags bis freitags durchschnittlich 311,7
Einrichtungen teilweise und 204,9 Einrichtungen komplett geschlossen.
Die folgende, neue wöchentliche Betrachtungsweise umfasst die gemeldete Anzahl
der Einrichtungen, die von montags bis freitags durchschnittlich teilweise oder komplett
wg. SARS-CoV-2 geschlossen waren.
Kalenderwoche Beginn Ende Teilschließung Komplettschließung
KW 40 28.09.2020 04.10.2020 32 25,4
KW 41 05.10.2020 11.10.2020 54,6 62,8
KW 42 12.10.2020 18.10.2020 84 82,2
KW 43 19.10.2020 25.10.2020 114,2 108,6
KW 44 26.10.2020 01.11.2020 190 154,2
KW 45 02.11.2020 08.11.2020 288,8 225
KW 46 09.11.2020 15.11.2020 340,6 228,8
KW 47 16.11.2020 22.11.2020 327 213,4
KW 48 23.11.2020 29.11.2020 303 169
KW 49 30.11.2020 06.12.2020 206,4 103,4
Insgesamt waren im Laufe des Novembers von den rund 10.500 Einrichtungen
zeitweise 1.091 KiTas teilweise und 747 KiTas komplett geschlossen. In diesen
Zahlen sind auch Einrichtungen inbegriffen, die z.B. im Oktober bereits geschlossen
waren und bei denen die befristete Schließung bis November angedauert hat.
Die Zahlen zu den Schließungen sind zudem nicht abschließend, da die Zahlen über
die Schließungen fortlaufend und teilweise rückwirkend über § 47 SGB VIII gemeldet
und eingearbeitet werden, so dass insgesamt nicht ausgeschlossen werden kann,
dass es einzelne weitere Fälle gibt.
Die Zahlen zur Kindertagespflege für den November, werden am 9. Dezember bei den
Jugendämtern erhoben und darüber wird mündlich im Ausschuss berichtet.

DJI-Kita-Personalbedarf

Akuter Personalmangel in westdeutschen Kitas, Potenzial für Qualitätsverbesserungen in Ostdeutschland


7. Dezember 2020 – Für einen Kita-Ausbau, der den Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr erfüllt und den Bedarf der Eltern deckt, fehlen in den westdeutschen Bundesländern in den kommenden fünf Jahren mindestens 20.400, gegebenenfalls sogar bis zu 72.500 Kita-Fachkräfte. Das entspricht vier bis 15 Prozent des Personalbestands in Kindertageseinrichtungen für Kinder bis zum Schuleintritt im Jahr 2019. In den ostdeutschen Ländern werden hingegen bald schon mehr Fachkräfte ausgebildet als benötigt werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Autorengruppe einer Studie des Forschungsverbundes Deutsches Jugendinstitut/Technische Universität Dortmund.

KURZFRISTIGE UND SCHNELL WIRKENDE LÖSUNGSANSÄTZE SIND GEFRAGT

Den Berechnungen zufolge reichen in Westdeutschland die gegenwärtig absehbaren Neuzugänge für das Arbeitsfeld Kita bei weitem nicht aus, um den Personalbedarf zu sichern: Die Spannbreite zwischen 20.400 und 72.500 fehlenden Fachkräften ergibt sich durch die Kombination wahrscheinlicher Szenarien: Angenommen, der Personalbedarf ist niedrig und eine hohe Anzahl an Erzieherinnen startet nach der Ausbildung tatsächlich in das Arbeitsfeld Kita, wächst die Personallücke bis zum Jahr 2023 auf einen Wert von 20.400 fehlenden Fachkräften. Geht man jedoch von einem höheren Bedarf aus bei gleichzeitig weniger neu ausgebildeten Erzieherinnen, die in die Kitas einmünden, würde die Personallücke 2025 mit 72.500 fehlenden Fachkräften den Höchststand erreichen. In beiden Fällen verringert sie sich danach zwar wieder leicht. Zumindest bis zum Jahr 2026 muss allerdings mit einem ungedeckten Personalbedarf gerechnet werden. Hinzu kommt, dass für die Kindertagespflege bis 2030 voraussichtlich weitere 13.000 bis 17.000 Personen benötigt werden.

„Da in den westdeutschen Ländern der Personalbedarf kurzfristig sehr hoch ist, sind vor allem schnell wirkende Lösungsansätze gefragt, um weiteres Personal zu gewinnen“, fordert Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, DJI-Direktor und Mitglied der Autorengruppe: Geplante Qualitätsverbesserungen sind in diesen Szenarien noch nicht berücksichtigt, beispielsweise beim Personalschlüssel in den Kita-Gruppen, sodass sich der Personalbedarf unter diesen Gesichtspunkten weiter erhöhen dürfte. Die Vorausberechnungen beziehen sich allein auf die Bereitstellung eines bedarfsdeckenden Angebots für Kinder vor dem Schuleintritt – ein Versprechen, das seit Einführung der Rechtsansprüche seiner Umsetzung harrt.

SCHERE ZWISCHEN PLATZANGEBOT UND NACHFRAGE IST IN WESTDEUTSCHEN LÄNDERN WEITER AUSEINANDERGEGANGEN

Der Personalbedarf ergibt sich unter anderem aus dem weiterhin bestehenden Bedarf an zusätzlichen Kita-Plätzen für Kinder bis zum Schuleintritt. Dieser wird maßgeblich durch zwei Größen beeinflusst: die demografische Entwicklung und den unerfüllten Elternbedarf. Um diesen bis zum Jahr 2025 zu decken, werden in Westdeutschland für Kinder bis zum Schuleintritt rund 462.000 bis 630.000 zusätzliche Plätze in der Kindertagesbetreuung benötigt. Das entspricht zwischen 18 und 24 Prozent der im Jahr 2019 vorhandenen Kita-Plätze. Bis zum Jahr 2030 dürfte der Bedarf allerdings wieder um 90.000 bis 95.900 Plätze zurückgehen. 

 Es müssten demnach mehr als 500.000 Plätze zusätzlich geschaffen werden, von denen aber knapp jeder fünfte Platz nur vorübergehend benötigt wird“, erklärt Dr. Christiane Meiner-Teubner aus der Autorengruppe der Studie. Die Dynamik des Ausbaus muss deshalb noch einmal deutlich gesteigert werden.

Würde sich lediglich die bisherige Ausbaugeschwindigkeit fortsetzen, könnte der Platzbedarf für Kinder unter drei Jahren erst viele Jahre später, zwischen den Jahren 2028 und 2030, gedeckt werden und für Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt erst in den Jahren 2023 bis 2026. Wichtig seien außerdem kluge Übergangslösungen für die zwischenzeitlichen Spitzen.

OSTDEUTSCHE BUNDESLÄNDER KÖNNEN PERSONALSCHLÜSSEL VERBESSERN

Deutlich anders stellt sich die Lage in Ostdeutschland dar: Sofern die Ausbildungszahlen weiterhin stabil und die aktuellen Personalschlüssel unverändert bleiben, werden dort deutlich mehr Fachkräfte ausgebildet, als für die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern bis zum Schuleintritt benötigt werden. „In den ostdeutschen Ländern könnte daher eine Qualitätsoffensive gestartet werden, mit der die immer wieder kritisierten Personalschlüssel verbessert werden könnten“, schreibt die Autorengruppe in der Studie. Weiterhin könnten für künftige Berufseinsteigende Anreize geschaffen werden, dort zu arbeiten, wo Personal dringend gebraucht wird. Von einer Senkung der Ausbildungskapazitäten rät die Autorengruppe ab, nicht zuletzt, weil von den verfügbaren Fachkräften andere Arbeitsfelder profitieren könnten, beispielsweise die ganztägige Betreuung von Grundschulkindern.
 

RECHTSANSPRUCH AUF GANZTAGSBETREUUNG IM GRUNDSCHULALTER ERHÖHT PLATZ- UND PERSONALBEDARF SOWIE KOSTEN

Der mit dem hier skizzierten Kitaplatz- und Personal-Ausbau verbundene Finanzbedarf wäre erheblich: Bis zum Jahr 2030 ist jährlich mit zusätzlichen Betriebskosten von deutschlandweit bis zu 9 Milliarden Euro und Investitionskosten in Höhe von jährlich maximal knapp 3 Milliarden Euro zu rechnen. Der Platz- und Personalbedarf und die damit verbundenen Kosten werden noch steigen, wenn die geplante Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter für West- und Ostdeutschland berücksichtigt wird.

Publikation
Thomas Rauschenbach, Christiane Meiner-Teubner, Melanie Böwing-Schmalenbrock, Ninja Olszenka (2020): Plätze. Personal. Finanzen. Bedarfsorientierte Vorausberechnungen für die Kindertages- und Grundschulbetreuung bis 2030. Teil 1: Kinder vor dem Schuleintritt (PDF-Download)

Es folgen Teil 2 zur Ganztagsbetreuung im Grundschulalter und Teil 3 mit Analysen auf Bundeslandebene.

Der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/Technische Universität Dortmund führt Forschungsprojekte zu den Themen Kindertagesbetreuung, Hilfen zur Erziehung, Kooperation von Jugendhilfe und Schule, Familien und Frühe Hilfen, Kinder- und Jugendarbeit, Personal und Qualifikation sowie Freiwilliges Engagement durch. Zu den Aufgaben des Forschungsverbundes gehören wissenschaftsbasierte Dienstleistungen sowie die Beratung von Politik und Fachpraxis auf allen föderalen Ebenen.

Bericht in der Süddeutschen Zeitung, 6. Dezember 2020



Kontakt
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, DJI-Direktor
089/62306-280
rauschenbach@dji.de

Dr. Christiane Meiner-Teubner
Forschungsverbund DJI/TU Dortmund
0231/755-8188
christiane.meiner@tu-dortmund.de

Abteilung Medien und Kommunikation am DJI
Uta Hofele
089/62306-173
hofele@dji.deteilentwitternteilenmailen